Sie waren ausgeritten, hatten endlich wieder miteinander geredet und gelacht. Waren sich so nah wie lange nicht. Teya liebte ihren Sohn mehr als ihre Tochter. Totilas war stets ihr Liebling gewesen, egal wie sehr seine Verfehlungen ins Gewicht geschlagen waren und egal wie oft sein Vater ihn hatte auspeitschen lassen. Sie konnte es kaum ertragen, daran zu denken wie es ohne ihn wäre und bald würde sie aufbrechen müssen, denn Castle Black war wahrlich kein Ort für eine Frau bei all den schändlichen Männern, Vergewaltigern und Dieben, die lieber zur Nachtwache gingen als ihre gerechte Strafe zu erhalten. Also bete sie jeden Tag zu den Sieben in der kleinen Septe des Castle Black, er möge mit ihr heim kehren. Auch wenn das eigentlich unmöglich war.
Sie kam gerade aus der Septe, als sie auch schon dem Lord Kommandant und dem ersten Grenzer Leon über den Weg lief. Stur und unfreundlich wie immer machte der Lord Kommandant deutlich, dass er ihren Besuch nicht mehr duldete. Sie hätte Ausreden finden können. Aber es machte keinen Sinn mehr. Sie hätte eine Kutsche geordert, aber der Lord Kommandant wollte sie wohl sehr schnell los werden. Er bot an, das sie mit 1-2 Mann Geleitschutz heute noch abfahren würden. Sie willigte ein und ging wütend, aber mit genug Anstand dies nicht zu zeigen in ihr Gemach um zu packen.
Dort fand sie dann auch wenig später ihr Sohn, der wohl schon von ihrer Abreise gehört hatte und versprach sie zu begleiten. Zumindest ein Stück. Sie war froh. So würden sie eine Weile gemeinsam verbringen bevor der Abschied käme für eine lange Zeit. Doch verstand sie nicht, weshalb sie mit ihm zu Pferde reiten sollte und nicht in der Kutsche. Er war schnell wütend, seine Schwester und ihr Gepäck hatten die Kutsche überfüllt. Teya war eine sehr gute Reiterin und als sie darüber nachdachte musste sie einsehen, das es die beste Lösung wäre. Sie würden in einem der nächsten Orte dann ein paar Gepäcktruhen auf einen Karren umladen und sie könnte dann in der Kutsche mitfahren.
Den eigentlichen Grund dafür erfuhr sie als sie abreisen wollten. Die Kutsche war schon fort, ihre Tochter auf dem Weg. Sie ließ sich in den Sattel helfen und ihr Sohn war bei ihr. Er wollte nicht zurückkehren. Sie war geschockt. Zwischen Sorge und Freude nur ein winziger Moment. Er wollte, dass sie ihm sagt ob sie für oder gegen ihn sei. Welche bedingungslos liebende Mutter konnte sich je gegen ihr Kind stellen? Sie war für ihn. Und so ritten Sie durch einen engen Weg gen Tor zur anderen Seite der Mauer. Noch dachte Teya, sie würden nur den Blicken der anderen Männer entgehen wollen und das hintere Tor ansteuern. Doch ihr Sohn ließ das Tor öffnen, sie ritten hindurch. Sie war immer noch bei ihm, irritiert ja, aber sie ging immer noch davon aus, das er wohl wüsste was er tat.
Sie ritten auf die andere Seite, hinter der Mauer, in den verwunschenden Wald. Teya flehte sie mögen umkehren, doch als ihr Sohn tiefer und tiefer in den wald vor drang, konnte sie nicht anders als zu folgen. Die Angst trieb sie, weiter und weiter. Totilas wartete auf die Wildlinge. Er wollte sie wirklich treffen. Sie war von Angst erfüllt. Ihr Verstand sagte ihr, sie sollte so schnell wie möglich los reiten gen Mauer und lieber den Pfeilhagel der Wachen kassieren, als sich diesen Wilden auszuliefern. Doch ihr Körper, steif vor Angst und Kälte, schaffte es nur noch das Pferd im Zaum zu halten.
Plötzlich waren Sie umzingelt. Die Männer und Frauen des freien Volkes waren überall. Es gab einige Wortwechsel. Sie flehte um ihr Leben. Hatte Angst um ihren Sohn, mehr noch als um sich selbst. Dann passierte alles so schnell. Sie waren vom Pferd abgestiegen. Ihr Sohn und einer der Männer prügelten sich direkt neben ihr. Sie wich zurück, wagte aber nur wenige Schritte, denn jemand richtet seinen Bogen auf sie. Der Mann mit dem sich ihr Sohn schlug zog ein Schwert hervor, stieß es ihm ohne Rücksicht in den Bauch, ganz bis die Spitze im Rücken wieder heraus ragte. Sie sah seinen leeren Blick. All ihre Angst wich dem bitteren Schmerz des Verlusts in ihrem Herzen. Sie hockte sich neben ihn, streichelte ihn und …
“Angriff!”
Pfeile flogen aus Richtung der Mauer. Sie duckte sich über ihren Sohn. Gerade noch sollte sie in das Lager verschleppt werden, nun sah sie in ihr bekannte Gesichter der Männer der Nachtwache. Sie wurde gerettet, aber ihr Sohn war tot. Tot, weil er tatsächlich geglaubt hatte, die Wildlinge würden ihn ziehen lassen, nur weil er ihnen Informationen geben wollte. Er, der Deserteur. Ihm sollten sie trauen? Nur weil er seine Mutter in Gefahr brachte? Nein, sie hatten ihn getötet und nun brachte Sie der Lord Kommandant zurück auf die andere Seite mit seinem leblosen Körper in seinen Armen.
Und so fragte er sie wütend wie das geschehen konnte. Wie konnten sie in den Wald geraten, wo sie doch abreisen sollte. Sie war fassungslos, starrte auf den Leichnam ihres Sohnes. Wollte am Liebsten schlafen vor lauter Erschöpfung. Doch ermahnte sie sich dazu, das sie ihren Sohn schützen würde, auch im Tod. Sie erfand ein paar Worte über einen Beweis seiner Tauglichkeit, den Totilas erbringen wollte. Der Lord Kommandant, sichtlich von Unbehagen gezeichnet, versprach ihr eine Ehrengarde gen Hohenehr. So könnte sie ihren Sohn dort zu Grabe tragen.
Nun kehrte er doch noch Heim. Der verloren geglaubte Sohn. Nun war die Nachtwache für ihn vorbei.